Mitbürger

 

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Es war im Sommer vor ca. 2 Jahren. Meine Frau befuhr eine Rolltreppe in der Kölner Innenstadt, als plötzlich ein Arm an ihr vorbeigriff und die beiden hinter ihr stehenden Mädchen festhielt. Die beiden wollten sich gerade entgegen der Fahrtrichtung der Rolltreppe davonmachen. Meine Frau hatte nichts bemerkt, wohl aber der, der zu dem Arm gehörte. Das war ein türkischer Mitbürger, der gesehen hatte, wie die beiden das Portemonnaie aus der Handtasche meiner Frau gezogen hatten.

Das Portemonnaie noch in der Hand, schrieen die beiden Zeter und Mordio. Das war dumm, denn im Nu hatten sie die Aufmerksamkeit der übrigen auf sich gezogen. "Das sind doch die, die auch meine Geldbörse gestohlen haben!" bemerkte eine der Umstehenden. "Ach, die zwei kenne ich auch", hörte meine Frau eine weitere Stimme. "Ruf endlich jemand nach der Polizei", sagte jemand anderes. Dann kamen die "grünen Funken", wie die Polizei in Köln heißt.

Die beiden Mädchen konnten sich natürlich nicht in deutsch verständlich machen. Na, was auch? Einer der Polizisten fragte meine Frau, ob sie Anzeige erstatten wollte, fügte aber gleich hinzu, dass dies wenig Sinn mache. Schließlich seien die beiden auch ihm bekannt, weil er sie mindestens zweimal die Woche in einem Kinderheim abliefere, nachdem sie wieder einmal beim Stehlen erwischt wurden.

Natürlich wollte meine Frau Anzeige erstatten, ermutigt von den Umstehenden. "Vielleicht kriegt man das Pack doch endlich einmal zu fassen!" So eine Bemerkung aus der Runde. Die Personalien meiner Frau wurden aufgenommen, die beiden Mädchen hörten aufmerksam zu. Schließlich löste sich der Auflauf auf, nachdem auch die Polizei mit den beiden weggefahren war.

Einige Monate später erhielt meine Frau eine Ladung als Zeugin vor Gericht. Drei Wochen vor Verhandlung wurde sie wieder ausgeladen. Eine Anhörung sei nicht notwendig. Wieder vier Wochen später wurde erneut ein Termin festgesetzt, der diesmal nicht wieder aufgehoben wurde. Da ich nichts Besseres vorhatte, entschloss ich mich, der Verhandlung beizuwohnen.

Es war an einem Freitag um 10.00 Uhr im Amtsgericht Köln. Ich hatte mit vielem gerechnet, nur nicht mit dem, was kommen sollte. Zunächst standen einige Personen auf dem Flur vor dem Verhandlungszimmer herum. Dann kam man ins Gespräch. Ein Fahrer der Kölner Verkehrsbetriebe AG war schon zum x-ten Mal als Zeuge wegen dieser beiden Mädchen vorgeladen. Eine ältere Dame war um 7.00 Uhr morgens in Düsseldorf abgefahren, nur um in dieser Angelegenheit auszusagen. Weitere Personen sahen sich verständnisvoll an und ließen durchblicken, dass sie auch wegen diverser Delikte der beiden Mädchen vor Ort seien. Dann kamen die beiden - in Begleitung von zwei Erwachsenen, die wohl Vater und Mutter darstellen sollten, und weiterer Kinder. Die Mutter hatte sogar einen Säugling auf dem Arm.

Endlich begann die Verhandlung. Aber eigentlich begann jetzt etwas Anderes, was mit einer Verhandlung nichts, aber auch gar nichts gemeinsam hatte.

Die Beklagten hatten 2 (in Worten: zwei) Anwälte mitgebracht, eine Dolmetscherin war obligatorisch. Als die Richterin das Verfahren eröffnen wollte, bemerkte einer der beiden Rechtsanwälte, er hoffe, das Gericht hätte heute viel Zeit mitgebracht. Daraufhin erwiderte die Richterin irritiert, dass sie eigentlich vorhatte, ins Wochenende zu gehen. Und wofür "viel Zeit"? Die Antwort haute mich um: "Weil ich ca. vierzehn Anträge stellen werde", so der Rechtsanwalt. Jetzt schaltete sich der Ankläger ein: Er könne ebenfalls beliebig viele Anträge stellen. Das wäre sein kleinstes Problem.

Die Richterin sah ihr Wochenende im Nebel der Rechtsprechung verschwinden. Das Unheil nahm seinen Lauf!

Die Zuhörer, also auch ich, wurden aus dem Gerichtssaal hinauskomplimentiert und eine furchtbare Beratung hub an. Sie zog sich über mehr als 2 Stunden hin. Ab und zu kamen die beiden Rechtsanwälte mit der Dolmetscherin aus dem Gerichtssaal, um sich mit den Beklagten zu beraten. Wieder und wieder sah man die drei Gestalten hin und her rennen und die Köpfe zusammenstecken.

Gegen 13.00 Uhr wurden dann alle in den Gerichtssaal gerufen. Dort wurde ihnen mitgeteilt, dass die Verhandlung ausgesetzt sei, weil man sich geeinigt habe. Hoch erhobenen Hauptes und grinsend verließen die "Beklagten" den Raum, in Begleitung ihrer Rechtsanwälte und der Dolmetscherin. Stumm packte der "Ankläger" seine Sachen zusammen und verschwand. Kopfschüttelnd verließen die übrigen den Raum. Wir haben auf unser "Zeugengeld" verzichtet, wollten wir doch nicht auch noch an der "Verhöhnung des Rechtstaates" verdienen.

Eigentlich nur am Rande will ich erwähnen, dass ca. 3 Wochen nach dem Vorfall auf der Rolltreppe bei uns eingebrochen und der gesamte Schmuck meiner Frau gestohlen wurde. Als wir, aufgefordert von der Kriminalpolizei und nach einigem Nachdenken, uns an den Vorfall und die Situation erinnerten, gingen wir zu unserer Polizeiwache. Als wir dort vortrugen, dass es durchaus im Bereich des Möglichen sei, dass die beiden Mädchen "evtl. und möglicherweise und man weiß ja nie", wurden wir mit der Bemerkung: "Hüten Sie sich vor falschen Anschuldigungen!" abgebürstet.

Diesen Vorgängen habe ich wirklich nichts mehr hinzuzufügen. Die Sache spricht für sich. Armes Deutschland!

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